Besonderheiten des Ladenbaus in der Hörakustik

Die Versorgung als schönes Einkaufserlebnis

Ladenbau in der Optik und Hörakustik ist mehr, als aktuellen Trends zu folgen. Davon ist Henning Tartsch überzeugt. Seit mehr als 30 Jahren entwickelt sein 1991 gegründetes Architekturbüro artmix Konzepte für Augenoptiker und Hörakustiker und setzt sie als Generalunternehmer mit Partnern um. 2017 gewannen Henning Tartsch und sein Team den German Brand Award im Bereich Retail. Mit der Entwicklung des Floatroom hat sich Henning Tartsch bereits 2007 ein Denkmal gesetzt. Von seinem Engagement für individuelle Konzepte und nachhaltigen Ladenbau kann sich jeder überzeugen, der einmal mit Henning Tartsch ins Gespräch kommt. Gelegenheit dazu gibt es zum Beispiel auf dem EUHA-Kongress, wo artmix zu den regelmäßigen Ausstellern gehört und seine Referenzprojekte vorstellt. Im Gespräch hat uns Henning Tartsch erklärt, was eine nachhaltige und vor allem erfolgreiche Ladengestaltung ausmacht.

Hörakustik: Herr Tartsch, Sie gestalten seit vielen Jahren Hörakustikfachgeschäfte. Wie sieht der neueste Trend dabei aus?

“Das ist eigentlich die falsche Frage. Denn es geht ja nicht um einen Trend oder eine Mode, es geht darum, im dreidimensionalen Raum, also im Erscheinungsbild des Geschäfts, die Idee und das Selbstverständnis des Unternehmers auszudrücken. Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin haben ja eine bestimmte Idee, eine bestimmte Identität und ein bestimmtes Selbstverständnis. Das müssen wir in das Erscheinungsbild des Geschäfts übertragen. Eine bestimmte Lichtgestaltung oder Farbeffekte sind da eher sekundär. Ein Lichtkonzept mit LED-Lampen für das gesamte Geschäft, das auf den Wartebereich, auf die Arbeitsbereiche und auf die Schaubereiche abgestimmt wird, ist selbstverständlich. Das machen die meisten. …

… Bei Trendfarben oder -materialien geht es nicht um eine moderne Gestaltung, sondern um eine modernistische. Das heißt im Endeffekt, in zwei bis vier Jahren sind die Farben out und ich fange wieder von vorne an. Deshalb legen wir auf eine modernistische Farbgestaltung überhaupt keinen Wert. Wichtig ist dagegen, dass die Farbe des Logos des Hörakustikers in die Gestaltung einbezogen wird. Uns kommt es darauf an, Läden zu gestalten, die zeitlos sind, die für den Profi funktional sind und in denen die Kunden sich wohlfühlen. Ich finde, man sollte hier nachhaltig planen.”

Hörakustik: Was macht für Sie eine nachhaltige Planung aus?

“Die Nachhaltigkeit beginnt damit, einen Laden zu planen und zu bauen, der langfristig Bestand hat. Das bedeutet, ich baue keinen Laden aus billigsten Materialien mit den günstigsten Formen und von billigsten Lieferanten, der nach vier bis fünf Jahren Beanspruchung kaputt ist und neu gebaut werden muss. …

… Das würde nämlich bedeuten, ich schmeiße das Material weg, was ich bis dahin eingesetzt habe. Das ist nicht nachhaltig. Für uns ist nachhaltig, erstens etwas zu bauen, das lange Bestand hat und zweitens, nachhaltige Materialien zu verwenden. Diese Materialien kommen nicht aus China, nicht aus Asien und nicht aus den osteuropäischen Ländern, sondern sie werden hier vor Ort in Deutschland produziert und verarbeitet und haben deshalb kurze Transportwege. Ich verwende Materialien, die nach Möglichkeit nachhaltig erzeugt sind. Wenn wir Möbel bauen und die richtigen Materialien auswählen, schützen wir schon das Klima. Das machen wir nicht mit irgendwelchen Abgaben und Ausgleichsleistungen.”

Hörakustik: Sie verwenden zertifiziertes Holz aus nachhaltiger Holzwirtschaft, allerdings auch Spanplatten. Was ist daran nachhaltig?

“Die Spanplatten sind Teil eines perfekten Kreislaufs nachhaltigen Wirtschaftens. Am Anfang steht ein Vollholzmöbel. Wenn das auf dem Wertstoffhof landet, kommen die Lastwagen unserer Produzenten, holen sich das Vollholz ab, transportieren es in ihre Lagerhallen und produzieren daraus Holzwerkstoffe, z. B. Oriented-Strand-Board (OSB)-Platten. Diese Platten bestehen aus gröber geschredderten Holzmaterialien. Tauscht man die OSB-Platten aus, werden sie abgeholt und es werden daraus feinere Spanplatten produziert. Erst wenn dieses Holz überhaupt nicht mehr zu verwenden ist, wird es thermisch entsorgt und erzeugt Strom oder Wärme. Ich habe schon vor acht oder neun Jahren auf meinen Messeständen die nachhaltige Produktion propagiert, aber der Markt hat darauf überhaupt nicht reagiert. Irgendwann habe ich angefangen, einfach jedes Möbel nachhaltig zu bauen bzw. bauen zu lassen.”

Hörakustik: Zurück zur Ladengestaltung und zu Ihren Kunden. Was fragen sie bei Ihnen nach?

“Die meisten Kunden kommen ganz bewusst zu uns, weil sie schon Läden von uns gesehen haben. Sie suchen nicht den neuesten Trend, sondern etwas, was zu ihrer Persönlichkeit und zu ihrer Unternehmensidentität passt. Es geht um Markenbildung und darum, einen Wiedererkennungseffekt als Regionalmarke zu erzielen. Ein Nullachtfünfzehn-Hörakustikladen oder Möbel von Ikea können das nicht leisten.”

Hörakustik: Können Sie uns beschreiben, wie man so einen Wiedererkennungseffekt aufbauen und daraus eine Regionalmarke entwickeln kann?

“Aktuell habe ich dafür ein sehr schönes Beispiel. Ich begleite gerade eine junge Hörakustikerin, die in einem kleinen fränkischen Städtchen ihr allererstes Fachgeschäft eröffnet. Da haben wir zum Beispiel eine Tapete entwickelt mit Farben aus dem Logo. Das ganze Farbkonzept und viele Details sind auf den ländlichen Bereich, die Region, abgestimmt. Im Schaufenster stehen kleine Baumstämmchen, auf denen die ausgestellten Hörgeräte platziert und ausgeleuchtet werden. Der Wartebereich ist mit Baumstämmen abgegrenzt, die vom Boden bis zur Decke gespannt sind. Das passt sehr gut. …

… Bei mir fragen viele junge Hörakustiker und Hörakustikerinnen an, die ein eigenes Geschäft gründen wollen. Das freut mich, und das unterstützen wir mit besonderen Konditionen für Gründer. Generell ist es so, dass ich den Kunden ganz genau kennenlernen will, bevor wir mit der Arbeit anfangen. Das geht so weit, dass wir beim Kunden Workshops mit dem ganzen Team machen, in denen es um die Ziele, Schwächen und Alleinstellungsmerkmale geht. Eine typische SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) hilft da sehr und natürlich meine Erfahrung der letzten 30 Jahre. So können wir mit dem Kunden von Anfang an eine klare Idee entwickeln.”

Hörakustik: Wie kann das Ladendesign dabei helfen, die Arbeitsabläufe optimal zu gestalten?

“Häufig gibt es nicht nur ein Ablagesystem im Geschäft, sondern zwei oder drei, aus denen man sich die Sachen zu einem neuen Auftrag zusammensuchen muss. Wir schlagen immer vor, ein einziges System zu nehmen, ein Boxensystem z. B., das wir selbst entwickelt haben. …

… Wenn der Kunde kommt, wird eine Box angelegt. Diese Box begleitet den Kunden, ob er im Haus ist oder nicht, auf allen Stationen bis zur kompletten Versorgung und Abrechnung. Auch mit unseren beliebten Systemmöbeln beschreibe ich Arbeitsabläufe, weil darin alle Systeme an einem vorgegebenen Platz verbaut sind. Wichtig ist auch, dass jeder Arbeitsplatz per WLAN oder LAN-Kabel mit dem internen Netzwerk bzw. dem Internet verbunden ist. Mittlerweile haben fast alle unsere Möbel einen Technikbereich mit Steckdosen und Kabeldurchlässen und sind so geplant, dass man sie vielseitig verwenden kann. Auch das ist Nachhaltigkeit.”

Hörakustik: Hat die Pandemie dauerhaft Einfluss auf den Ladenbau?

Das ist eine Frage, die wir aktuell auch den Kunden stellen. Wenn man ganz ehrlich ist, kommen herkömmliche Schutzmaßnahmen in der Hörakustik schnell an Grenzen, spätestens wenn ein Hörakustiker direkt an das Ohr des Kunden muss. Dann sitzt man ganz nah beieinander.

Hörakustik: Sie sind mit Ihrer Firma artmix jetzt seit über 30 Jahren im Geschäft und haben sich in der Hörakustik mit Ihren Ladenbaukonzepten einen Namen gemacht. Sie haben den Floatroom entwickelt, einen standardisierten Akustikraum als Raum-in-Raum-Konzept, der auch von den Herstellern verwendet wird. Wie kam es dazu?

“Wir hatten einen Kunden, der hatte in seinem Optikgeschäft auch einen Bereich für Hörakustik. Das Geschäft ist nach der Eröffnung regelrecht explodiert, so gut haben die Kunden auf das Konzept angesprochen. Aufgrund der hohen Nachfrage hat er nur für die Hörakustik auf 200 Quadratmetern ein neues Zentrum gebaut, das wir für ihn gestaltet haben. In dem Neubau gab es auch einen HNO-Arzt, der mir seine Praxis gezeigt hat. Für seinen Akustikraum hatte er den Boden aufschneiden lassen, Wände und Decken herausgenommen und einen extremen Aufwand betrieben. …

… Nach dem Termin stand ich unten auf der noch leeren Fläche des zukünftigen Hörzentrums und habe mich entschlossen, es anders zu machen, nämlich einen Raum in den Raum zu stellen. Daran hatte noch niemand gedacht. Dieses komplett schallgedämmte Raum-in-Raum-System mit lautloser Luftzufuhr und Klimatisierung haben wir 2007 patentieren lassen. Das war mit Sicherheit für uns selbst ein sehr wichtiger Schritt. Für jemanden, der es ernst meint und einen richtig guten Akustikraum haben will, führt am floatroom kein Weg vorbei. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für Hörakustiker, das die Kunden zu schätzen wissen.”

Hörakustik: Wenn Sie die letzten 30 Jahre Revue passieren lassen, wo waren deutliche Umbrüche zu spüren?

“Als wir angefangen haben, trugen Optiker noch weiße Kittel und der Laden war mehr eine Apotheke, in der es Sehhilfen auf Rezept gab. Dann kam der Umbruch und Brillen wurden zum modischen Accessoire, was sich natürlich auch in der Ladengestaltung widerspiegelte. …

… Hörgeräte sind sicher noch keine modischen Artikel, aber wie es aussehen kann, wenn man sie so präsentiert, haben wir bereits bei einem der ersten Läden gezeigt, die wir in der Hörakustik gestaltet haben. Mitten in den Raum hatten wir eine Ausstellungsvitrine gestellt mit einem rohen Schieferstein. Auf der Schieferlandschaft hat der Kunde seine Hörgeräte ausgestellt und wir haben das von oben beleuchtet. Das hat so toll ausgesehen, dass die Leute stehengeblieben sind. …

… Heute zeigt die Werbung, dass Hörsysteme zu einem schöneren Leben beitragen. Dann sollte auch die Versorgung schon ein schönes Einkaufserlebnis sein. Schließlich gibt es immer mehr kritische und selbstbewusste Kunden, die verwöhnt werden wollen. Das ist es, was alle Hörakustiker jetzt erreichen müssen, aber es gibt einige, die sind noch nicht so weit. Da gibt es für uns noch viel zu tun und da lassen wir auch nicht nach.”

Hörakustik: Wir danken für das Gespräch.

Gudrun Porath, Fachjournalistin